Rudi Kost

Was ist los mit Trimmel?

Inhalt

Trimmel heiß ich

Trimmel und die Psychiater

Trimmel, das Ekel

Trimmel, dein Freund und Helfer

Trimmel, der Säufer

19. Januar 1919

Trimmel, der Profi

Trimmel und seine Leute

Edmund Höffgen

1. April 1945

Gaby Montag

Trimmel lacht

Anhang

Trimmel im Buch

Trimmel im Fernsehen

Erschienen 1986 in der Reihe "Kabinett der Detektive", Poller Verlag
ISBN 3-87959-266-7
© Rudi Kost

 

Vergriffen; gebraucht erhältlich zum Beispiel bei:

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Trimmel, der Säufer

Bei einem Bierchen bleibt es in der Tat selten. Trimmel ist ziemlich trinkfest, was er wiederholt unter Beweis stellt. Neun Bier und neun Korn jedoch, wie an jenem Abend, als er mit einem Anruf bei dem SSD-Beamten Karl Lincke, einer Saufbekanntschaft aus einem Bulgarien-Urlaub zwei Jahre zuvor, den Grundstein zu seinem DDR-Abenteuer legte,[1] werfen auch ihn um. Solch ein Quantum ist zwar nicht die Regel, aber beileibe auch keine Seltenheit.

Trimmel, rundheraus gesagt, ist ein gewaltiger Trinker, nach Meinung vieler geradezu ein Säufer, wenn nicht schon ein Alkoholiker. Die Tage sind selten, daß er sich deswegen ernsthaft Sorgen macht, und wenn er einmal doch beschließt, ohne Verzug nach Hause zu gehen, pasteurisierte Milch trinkt und ein Buch liest, dann ist das die Ausnahme.

Aber dann hat es ihn doch erwischt. Sein Herz krampft sich zusammen, er kriegt kaum noch Luft, und in einem Anfall von Panik geht er tatsächlich zum Arzt, obwohl er sich vorstellen kann, was der ihm vorhalten wird.[2] Eine Zeitlang hält er sich auch daran, nimmt sich selber an die Kandare und rührt vor dem Mittagessen keine Zigarre und keinen Korn mehr an. Aber diese geistige Verwirrung geht, Gott sei Dank, bald wieder vorüber.

Über die Ansicht, im Dienst dürfe nicht getrunken werden, kann er nur lachen. Im Aktenschrank seines Dienstzimmers stehen immer eine Flasche Korn und eine Flasche Cognac, und die stehen nicht nur da wegen der angeblich unreellen Vernehmungsmethoden. Trimmel, wäre er Wirt, wäre einer seiner besten Kunden.

Er braucht sein Gläschen zwischendurch. "Hol man n Korn!" sagt er zu seinen Leuten, und dann wissen sie, daß er im Begriff ist, einen Entschluß zu fassen. Wenn manche Leute wüßten, welche Inspiration er der Flasche verdankt ... Ohne Korn gäbe es in Hamburg mit Sicherheit einige unaufgeklärte Morde mehr.[3]

Ein Wunder, daß er überhaupt noch seinen Führerschein hat. Zur Not nimmt er ja ein Taxi, aber wirklich nur zur Not. Am nächsten Morgen freilich setzt er sich dann trotzdem ins Auto, so verkatert er ist ...

Die großen Besäufnisse finden in seiner Stammkneipe statt. Lange Zeit war es das „Old Farmsen Inn“ und der Wirt einer der wenigen Freunde, die Trimmel hatte. Kein Wunder, bei dem Umsatz ... Aber das „Old Farmsen Inn“ entwickelte sich für Trimmels Geschmack mehr und mehr zu einer lausigen Halbstarkenkneipe, und als ihm eines Tages der Wirt ankündigte, er wolle aufhören, war Trimmel gar nicht mal so traurig. Das sparte wenigstens Taxi-Kosten, und die Music-Box und die Rocker hatten die Atmosphäre ohnehin ruiniert, er fühlte sich seit langem nicht mehr wohl im „Old Farmsen Inn“.

Insgeheim bewunderte er seinen Münchner Kollegen Lenz, den er sonst nur dem Namen nach kannte, weil der sich sogar zu einer Demonstration gegen einen Groß-Gastronomen aufraffte, der die alteingesessenen Beisln in der Bayernmetropole systematisch kaputtmachte.[4] Mit so einem, dachte er, könnte er gut Freund werden. Stattdessen mußte er in Hamburg eine neue Stammkneipe auftun. Er fand sie, nach langem Suchen, hinter dem Ernst-Deutsch-Theater.

Längst waren auch Trimmels Leute in seinen Stammkneipen heimisch geworden. Wenn es etwas zu feiern gab, zog die ganze Truppe einträchtig los[5] und machte mächtig einen drauf. Feiern konnte man, zum Beispiel, auch den Sieg über die Gewalt, wenn’s auch allemal ein trauriger ist. Wie am 13. September 1972, als sie eben das 19. Kapitalverbrechen des Jahres mit einem Geständnis des Täters abgeschlossen hatten und die Erinnerung an eine Schlägerei mit tödlichem Ausgang in Bier und Korn ertränkten.

Daß zur selben Zeit auf einer Müllkippe ein anderer Toter, der zwanzigste des Jahres, abgeladen wurde und sie sich auf diese Weise mit einem Fall von Umweltverschmutzung befassen mußten,[6] konnten sie natürlich nicht ahnen, wie sollten sie auch. Wenn Polizisten Ahnungen hätten, könnten sie manchmal wochenlang nicht ruhig schlafen. Sie haben auch keinen sechsten Sinn und schon gar kein Talent zur Spökenkiekerei. Polizisten, darüber waren sie sich spätestens nach der sechsten Runde einig, unterscheiden sich von Handwerkern und Facharbeitern hauptsächlich dadurch, daß sie nicht immer ganz so pünktlich Feierabend machen können und deshalb nach Dienstschluß schon mal über die Stränge schlagen und am nächsten Tag Mühe haben, den Kopf einigermaßen wieder frei zu kriegen.

Meist bleibt Trimmel unabsichtlich in der Kneipe hängen, aber gelegentlich ist er auch von Anfang an fest entschlossen. Für einen Junggesellen ist das immer noch, findet er, die angenehmste Form der Freizeitgestaltung. Dann läßt er seinen Ford[7] gleich stehen und fährt mit der U-Bahn nach Farmsen.

Und manchmal säuft er sich auch vorsätzlich und zielbewußt die Hucke voll. Zum Beispiel, als er sich nach seiner Leipzig-Reise von Erich Landsberger in Berlin absetzen läßt, mit dem er, um alles in der Welt, nicht gemeinsam zurück nach Frankfurt fliegen will, obwohl sie jetzt, was ja angeblich verbindet, Komplizen sind in der Vertuschung eines Falles wenigstens von Euthanasie, wenn nicht gar von Mord.

Trimmel zieht systematisch durch die Kneipen, denkt nicht daran, daß er sich die Sache bei einem anderen Kneipenabend ja selber eingebrockt hatte und weiß hinterher nicht einmal mehr so recht, wie er in sein Hotel zurückgefunden hat ...

 *

"Also, dazu brauche ich ja nun wirklich keinen Seelenklempner", sagt Trimmel. "Daß ich bei der Gelegenheit einiges runtergespült habe, ist sogar mir klar." Und das meint er absolut doppelsinnig.

"Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden", beruhigt ihn Dr. Lorff. "Trotzdem, ich bleibe dabei – Sie spielen erstens ganz schön Verstecken mit sich selber ..."

"Apropos", sagt Trimmel, der sich spontan an frühere Besuche erinnert, "wo verstecken Sie heute eigentlich Ihren Whisky?"

"Den gibt’s heute nicht!" antwortet Dr. Lorff entschieden. "Heute wird gearbeitet!"

"Einen", bittet Trimmel, "einen kleinen ..."

"Also gut!" Dr. Lorff steht auf, schenkt ein und fährt fort: "Zweitens, habe ich den Eindruck, spielen Sie auch Verstecken mit mir!"

"Ja, aber, was versteck ich denn?" fragt Trimmel. "Meinen inneren Schweinehund?"

"Ach Gott", sagt Dr. Lorff, "wenn das so einfach wäre ... Jetzt stellen Sie sich doch nicht so stur. Tun Sie doch nicht so, als sei das alles neu für Sie. Sie haben doch auch Ihre Erfahrungen mit der Psychiatrie ..."

"Schlechte", sagt Trimmel grämlich und trinkt mit einem Zug aus. "Abgesehen davon, daß Sie mir mal mit Ihren Täterprofilen und so geholfen haben ..." Er hält inne und starrt nachdenklich in sein leeres Glas.

"Sie kriegen ja noch einen", sagt Dr. Lorff. "Aber, wenn ich mal geschwollen reden darf: So wie Sie gerade auf den Grund Ihres Glases geschaut haben, müssen wir auch auf den Grund Ihrer ganzen Persönlichkeit schauen."

"Also gut, zurück zum Anfang", sagt Trimmel resignierend.



[1] Siehe "Taxi nach Leipzig".

[2] Bei dieser Gelegenheit kommt Trimmel zum ersten Mal in direkten Kontakt mit dem Computer Mike (siehe "Ein EKG für Trimmel").

[3] Die Aufklärungsquote von Trimmels Mordkommission liegt bei knapp 90 Prozent. Alle Fälle kann auch ein Trimmel nicht lösen, zumal wenn Richard Wagner mit drinhängt (siehe "Trimmel und Isolde").

[4] So geschehen in dem "Tatort"-Beitrag "Schicki-Micki" von Herbert Riehl-Heyse und Ernst Fischer (29. Dezember 1985).

[5] Nur Petersen hielt sich eine Zeitlang abseits. Als sie den Fall "Trimmel und das Finanzamt" klärten, hatte er dem Alkohol gerade für ein paar Wochen abgeschworen.

[6] Siehe "Trimmel macht ein Faß auf".

[7] Fährt der Trimmel mit dem Ford fort ... bis zu seinem Unfall ("Ein EKG für Trimmel") war es ein gelber 17 M, polizeiliches Kennzeichen: HH – KK 133, danach ein grauer.