Rudi Kost

Was ist los mit Trimmel?

Inhalt

Trimmel heiß ich

Trimmel und die Psychiater

Trimmel, das Ekel

Trimmel, dein Freund und Helfer

Trimmel, der Säufer

19. Januar 1919

Trimmel, der Profi

Trimmel und seine Leute

Edmund Höffgen

1. April 1945

Gaby Montag

Trimmel lacht

Anhang

Trimmel im Buch

Trimmel im Fernsehen

Erschienen 1986 in der Reihe "Kabinett der Detektive", Poller Verlag
ISBN 3-87959-266-7
© Rudi Kost

 

Vergriffen; gebraucht erhältlich zum Beispiel bei:

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Trimmel und seine Leute

Am liebsten macht Trimmel seine Sachen alleine, die haarigsten sowieso. Keiner von seinen Leuten hatte eine Ahnung, daß er in die DDR fuhr;[1] offiziell hatte er sich krank gemeldet. Und auch den Fall Brigitta Beerenberg[2] hat er im Alleingang gelöst – "mir eingebrockt", sagte Staatsanwalt Portheine, damals nicht besonders glücklich, daß er, als neuer Sachbearbeiter für Kapitalverbrechen, mit diesem Trimmel zusammenarbeiten mußte.

Im Laufe der Zeit indessen haben sie sich arrangiert, notgedrungen akzeptiert Portheine mit Trimmels Qualitäten auch dessen Eigenheiten, und Trimmel ließ sich von ihm auch einmal zu einer windigen Sache überreden, indem er vor Gericht Gedächtnislücken vortäuschte, worauf dann der Tonbandmitschnitt des Verhörs herangezogen wurde, den Portheine, inzwischen Oberstaatsanwalt, rein zufällig zur Hand hatte ...[3]

Trotz und alledem, so recht sind Portheine und Trimmel nie warm geworden miteinander. Das ist auch schwierig mit Trimmel. Seine Ruppigkeit ist Freundschaften nicht förderlich.

Trimmel hat auch nur wenige, dafür allerdings gute und vor allem brauchbare Freunde. Dr. Lippmann zum Beispiel, ein Biologe mit notfalls auch gediegenen medizinischen Kenntnissen, wenigstens für den Hausgebrauch eines Hauptkommissars. Im Zweifelsfall kennt Trimmel immer die richtigen Leute, denen er was aus der Nase ziehen kann oder die ihm auf die eine oder andere Weise bei seinen Kommandounternehmen behilflich sein können.

Auch Trimmels Truppe hat ihre Schwierigkeiten mit ihm. Manchmal wünschen seine Mitarbeiter ihn sonstwo hin, aber wenn er nicht da ist, dann merken sie doch, daß er, mit seinen verrückten Ideen, an allen Ecken und Enden fehlt.

Mit am längsten ist Petersen bei ihm, ein kühler, ehemals blonder, inzwischen allerdings haarloser Hanseat mit randloser Brille. Zuvor war er beim Einbruchsdezernat, und dort riefen sie ihn schon "Herr Beileid", weil er die, wie sie das nannten, Beileidsbesuche bei den Geschädigten geradezu lustvoll erledigte.

In Trimmels Mordkommission kam er da gerade recht. Einer Mutter beizubringen, daß ihr Kind umgebracht wurde, ist eine unangenehme Aufgabe, vor der sich jeder drückt. Bloß Petersen nicht. Er machte das gerne und wurde zum Spezialisten für das Überbringen von Todesnachrichten, wie er auch bei Festnahmen und Verhaftungen aller Art den größten Lustgewinn hatte. Sie ernannten ihn zum "Leichenbestatter",[4] und zwischenzeitlich hatte er gar mal das penetrante Gehabe eines Bestattungsunternehmers angenommen.

Petersen, ein Mann mit einem phänomenalen Gedächtnis, sorgsam und pingelig. Auf leisen Sohlen kommt er herbeigeschlichen und hat sich eine Marotte angewöhnt. Wenn er eine halbwegs spannende Sache hat, versucht er sie dadurch, daß er sich die Würmer aus der Nase ziehen läßt, noch spannender zu machen. Manchmal geht er Trimmel, dessen starke Seite die Geduld nicht gerade ist, damit entsetzlich auf die Nerven. Aber Petersen ist ein guter und geduldiger Arbeiter, von allen hat er die meisten Überstunden, und als Höffgen ausflippte,[5] war es völlig klar, daß er dessen Stelle als Trimmels rechte Hand einnahm.

Lange Zeit der Jüngste in Trimmel Kerntruppe und gleichzeitig der Vielversprechendste war Laumen. Seit er den entsprechenden Lehrgang in Hiltrup hinter sich hatte, durfte er ein stolzes KKA, Kriminalkommissaranwärter, an seinen Dienstgrad Obermeister kleben.[6] Jüngst wurde er etwas aufsässig, etwas mucksch, wie Trimmel das nannte, aber sonst war und ist er in Ordnung. Seit er gehört hatte, daß es auch bei der Kripo in Amsterdam einen Flötisten geben sollte,[7] hatte er sein Hobby von früher, eben das Flötenspiel, neu entdeckt.

Lediglich sporadisch, dann allerdings nachhaltig, gehörte des weiteren der aus Münster stammende Krombach zum engeren Kreis, übrigens der einzige Familienvater der Truppe. Er spürte es am deutlichsten, daß man einige Zeit braucht, um in und von Trimmels Umgebung akzeptiert zu werden. Noch drei Jahre, nachdem er zum ersten Mal aufgetaucht war, hatte er manchmal das Gefühl, daß diese heimlichen Stars ihn nicht für voll nahmen und ihn nach wie vor überhaupt nicht in ihre Karten gucken ließen. Später stießen noch der Kriminalmeister Hellmann[8] und Karin Stiller[9] dazu, während Krombach sich einen Bart zulegte und zu den Spurensicherern abwanderte, wo er vermutlich auch schon vorher mal gewesen war.

In der Regel ist Trimmel mit seinen Leuten zufrieden. Er ist, bei Licht besehen, wie ein Vater zu ihnen: unheimlich streng und heimlich gütig. Er kann sie fürchterlich zusammenstauchen, er jagt sie durch die Gegend und erwartet, daß seine Anordnungen genauestens befolgt werden, auch wenn sie den Hintersinn und die Zusammenhänge nicht immer verstehen. Er will sich auf sie verlassen können, so hat er sie erzogen.

Eigenmächtigkeiten duldet er nicht, die behält er sich selber vor, doch er setzt voraus, daß sie notfalls eigenständig und in seinem Sinne handeln; hinterher hatten sie noch jedesmal Bammel, ob sie es richtig gemacht hatten.

Mit Anschissen geht er großzügig um, Streicheleinheiten verteilt er selten, aber Fehler seinerseits gesteht er ohne Umschweife ein und macht sie mit Korn, gelegentlich einer Flasche Sekt und, dann doch, mit guten Worten auf seine hilflose und linkische Art wieder wett.

Und sie nehmen ihn auch als Vater: sie lieben und sie hassen ihn, sie wissen, wie schwer es ist, seine Anerkennung zu erringen, und sie ahnen, wie schwer er sich tut, sein ja manchmal doch goldenes Herz zu zeigen.

 *

"Eigentlich ist ein derartiger Einzelgänger in der heutigen Zeit ein regelrechter Anachronismus", sagt Dr. Lorff.

"Wenn ich mich auf mich selbst verlasse", knurrt Trimmel, "weiß ich wenigstens, woran ich bin."

"Aus meiner Sicht, würde ich sagen", meint dazu der Psychiater, "sind dafür doch wohl einige seelische Traumata verantwortlich zu machen."

"Irgendwann bin ich von meiner Mutter mal in einer entscheidenden, enorm gefühlsbesetzten Situation allein gelassen worden", sagt Trimmel achselzuckend und bemüht ironisch.

"Nein, nein, darum geht's nicht, es sind in erster Linie die Probleme, die Sie mit ihrem Vater hatten", beharrt Dr. Lorff auf seiner Meinung. "Sie benehmen sich unter anderem wie ein Patriarch aus der wilhelminischen Zeit, nur um nicht zu zeigen, daß Sie eigentlich eine Seele von Mensch sind. Eine fast klassische Situation: Sie ahmen Ihren Vater nach, obwohl Sie genau dessen Verhaltensweisen im Grunde ablehnen."

"Und deshalb bin ich ein Anachronismus?"

Da muß Dr. Lorff nachdenken. "Ich muß mich korrigieren", gesteht er schließlich. "Mit diesen übermächtigen Vaterfiguren haben vermutlich doch die meisten von uns ihre Last."

"Na, dann bin ich wenigsten in der Hinsicht kein Einzelgänger."

"Wie auch immer", sagt Dr. Lorff entschlossen, "Sie müssen der Tatsache, daß Sie da einigen Ballast mit sich rumschleppen, daß Sie in Ihrem Vertrauen in einen anderen Menschen vermutlich mehrfach und frühzeitig fürchterlich enttäuscht wurden, so oder so gefaßt ins Auge sehen."

"Also da brauche ich gar nicht so weit zurückzugehen", sagt Trimmel grimmig, "den Menschen kann ich Ihnen namhaft machen. Er heißt Edmund Höffgen."



[1] Siehe "Taxi nach Leipzig".

[2] Siehe "Der Richter in Weiß".

[3] Siehe "Trimmel und Isolde". Der Trick hat trotzdem nichts genutzt. Klaus Bothüter wurde freigesprochen.

[4] Eine Zeitlang wurde er auch "Leichenbitter" genannt.

[5] Siehe "Hände hoch, Herr Trimmel".

[6] Wenn man sich fragt, warum er inzwischen noch nicht Kommissar ist, so ist dies wahrscheinlich der Tatsache zuzuschreiben, daß bei der Hamburger Polizei in den letzten zehn Jahren oft einiges drunter und drüber ging – so gesehen wäre Laumen eine Art Opfer des Systems.

[7] Es handelt sich hierbei um den Brigadier de Gier, von dem Janwillem van de Wetering viel erzählt. Als Laumen mit Trimmel in Holland zu tun hatte (siehe "Trimmel und der Tulpendieb"), hätte er gar zu gerne ein Treffen arrangiert, aber es ließ sich nicht machen.

[8] Siehe "Trimmel hat Angst vor dem Mond".

[9] Siehe "Trimmel und Isolde".