Rudi Kost

Was ist los mit Trimmel?

Inhalt

Trimmel heiß ich

Trimmel und die Psychiater

Trimmel, das Ekel

Trimmel, dein Freund und Helfer

Trimmel, der Säufer

19. Januar 1919

Trimmel, der Profi

Trimmel und seine Leute

Edmund Höffgen

1. April 1945

Gaby Montag

Trimmel lacht

Anhang

Trimmel im Buch

Trimmel im Fernsehen

Erschienen 1986 in der Reihe "Kabinett der Detektive", Poller Verlag
ISBN 3-87959-266-7
© Rudi Kost

 

Vergriffen; gebraucht erhältlich zum Beispiel bei:

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Gaby Montag

Trimmel traf Gabriele Montag, damals siebenundzwanzig Jahre alt und, wie er befriedigt bemerkte, gar nicht mal so unhübsch, am Dienstag, dem 24. Juni 1969.

Trimmel, trotz und alledem, hat einen Blick für schöne Frauen, und wenngleich sich sein nicht sehr üppiges Sexualleben auf gelegentliche, stets kürzere Bekanntschaften beschränkt, wenngleich die Frauen, die er auszieht, mitunter frieren, kennt er sich mit Mädchen überraschend gut aus. Er ist für weibliche Reize durchaus empfänglich. Das offenherzige Nachthemd Jill Bieglers[1] lenkt ihn ziemlich ab, und wäre die Dame eine häßliche und hochgeschlossene Matrone gewesen, hätte er sich bestimmt nicht so sehr um sie bemüht.

Es kann durchaus auch vorkommen, daß er ein wenig eifersüchtig wird. Da gibt es diesen Dr. Glomm, den er im starken Verdacht hat, seine Frau wenn schon nicht ermordet, so doch ihren Tod vorsätzlich heraufbeschworen zu haben,[2] und dann sieht er ein Bild von dessen Freundin, und das ist nun effektiv ein bildhübsches Weib, und da macht sein Herz ganz unvermittelt einen Sprung ...

Trimmel kennt sich, allem Kantinenklatsch zum Trotze, genau. Sein ganzes Polizistenleben lang hat er eine panische Angst davor gehabt, daß er in Ausübung seines Dienstes den Verführungen einer Frau erliegen könnte. Freilich versuchen es die wenigsten,[3] dafür sorgt schon Trimmels ruppiges Verhalten, so gesehen auch in der Hinsicht ein idealer Schutzpanzer, den keine durchbrechen konnte.

Bis auf Gaby.

Dabei hatte sie das überhaupt nicht vor. Am Abend zuvor hatte Brigitta Beerenberg ihren Mann erschossen.[4] Die Haushälterin Gabriele hatte an diesem Tag, wie an jedem Montag, Ausgang und die Bluttat deshalb nicht direkt mitbekommen, aber betroffen davon ist sie auch, in doppelter Hinsicht. Brigitta nämlich behauptet, ihr Mann habe, während sie ahnungslos schlief, wiederholt wilde Orgien mit anderen Frauen gefeiert.

Des Hausherrn einziges nachweisbares außereheliches Vergnügen, allerdings tatsächlich im eigenen Haus, war indessen Gaby, wie sie Trimmel verschämt eingesteht, und außerdem war es keine Orgie und kam auch nur einmal vor, während die gnädige Frau regelmäßig durch fremde Betten steigt. Überdies ist seltsam, daß Brigitta von ihrem Mann immer nur montags, nach ihrer Aussage, verprügelt, gedemütigt und halb vergiftet wurde – an dem einzigen Tag in der Woche, an dem es dafür nun wirklich keine Zeugen gab ...

Das und noch einiges mehr gibt Trimmel zu denken, und so wird Gabriele Montag, ein ziemlich verschüchtertes Wesen, zu seiner Hauptbelastungszeugin und unversehens auch zu seiner Geliebten. Trimmel, ehe er selber recht merkt, was mit ihm los ist, umtänzelt seine Zeugin wie ein Gockel. Er ist so liebenswürdig wie selten, er wird in ihrer Gegenwart heiter und gelöst, er lacht schallend, was garantiert seit Jahren nicht mehr vorgekommen ist – Gabriele Montag jedenfalls wird, ohne daß ihr die Tragweite dessen bewußt ist, die historische Zeugin einer Schönwetterperiode in der Eiswüste.

Trimmel benimmt sich so lächerlich, wie man es nur tut, wenn man verliebt ist. Er kauft sich in einer Boutique einen viel zu jugendlichen gelben Schlips und ein paar bunte Button-down-Hemden, nachdem er bisher immer nur schwarze oder dunkle getragen hat, probiert neue, enge Hosen an und erduldet dafür auch die fruchtlosen Bemühungen des offensichtlich außerordentlich, nicht nur ein bißchen schwulen Verkäufers.

Und dann passiert’s tatsächlich, und nicht mal auf heimischem Boden. Im Herrenzimmer der Villa Beerenberg geht er auf Gaby zu und packt sie, ohne lange zu fragen. "Doch nicht hier ...", kann Gaby nur noch sagen, leise, gottergeben und glücklich.

Noch vor Weihnachten zieht sie zu ihm in seine unaufgeräumte Junggesellenwohnung nach Hamm, und im Handumdrehen verwandeln sich die verwohnten zweieinhalb Zimmer samt ihrem Besitzer. Das Badezimmer wird gestrichen, Trimmel abermals neu eingekleidet, außerdem liest er wieder Bücher, und an Weihnachten brennen fünf Kerzen an dem kleinen Bäumchen ohne Manschette.

"Muß ne Weile her sein", sagt Trimmel, locker wie selten, "daß hier Kerzen angesteckt worden sind. Aber du bringst ja alles fertig ..."

Wenn Trimmel je geglaubt hat, er ändere sich nie, dann hat er sich gewaltig geirrt. Gaby friert auch längst nicht mehr, wenn er sie auszieht. Man gewöhnt sich an alles, denkt sie, immer noch gottergeben und immer noch glücklich, sogar an Trimmel. Daß sich, umgekehrt, Trimmel an sie gewöhnt hat und daß der alte, einsame Wolf ein bißchen geselliger geworden ist, das mag sie, in ihrer Bescheidenheit, einfach nicht auf sich beziehen.

Aber es ist tatsächlich so, man merkt’s nur nicht auf Anhieb, von den bunten Hemden mal abgesehen. Trimmel läßt sich ungern in seine Karten gucken und schon gar nicht in seine Seele. Trotzdem, es hilft nichts, der alte Brummbär wird gemütlicher, gelegentlich auch ohne ersichtlichen Grund liebenswürdig, und wäre nicht die Sache mit Höffgen passiert, hätte man mit ihm noch sein blaues Wunder erleben können.

An die nicht angetraute Frau Trimmel hat man sich gewöhnt,[5] und zwischen den beiden hat sich's eingespielt. Aber einmal sagte Gaby dann doch: "Ich hab immer öfter das Gefühl, als ob ich eher noch eine zusätzliche Belastung für dich wäre. Ich glaube, unsere Zeit ist abgelaufen."

Da erschrickt Trimmel aber gewaltig, und er ist nahe daran, ihr doch tatsächlich einen Heiratsantrag zu machen, aber weil gerade so verteufelt viel zu tun ist und er kurz danach zudem noch zusammenklappt,[6] geht auch das vorüber, und beide kommen nie mehr darauf zurück.[7]

Es lebt sich auch so bequem und angenehm. Was wär ich nur, denkt Trimmel, ohne Gaby. Das sagt er ihr sogar bisweilen ins Ohr.

Und einmal hat er sich sogar allen Ernstes überlegt, daß er eigentlich wirklich noch nicht zu alt ist für Kinder.

 *

"Mit dem Gedanken sind Sie jedenfalls doch kein total hoffnungsloser Fall", sagt Dr. Lorff – und wahrhaftig: er grinst.

"Dann hätte ich mir Ihre Couch ja sparen können", brummt Trimmel friedlich.

"Nein, nein, das nun auch wieder nicht", wehrt der Psychiater ab, wieder ganz ernst. "Unter dem Gewicht Ihrer Macken wäre manch einer zusammengebrochen."

"Macken ...", sagt Trimmel, der Philosoph aus Erfahrung. "Wer hat die nicht."

"Ganz im Ernst, Herr Trimmel: es hat sich bei Ihnen im Lauf der Zeit ganz schön was angestaut. Es ist immer mehr geworden, was auf Sie einstürmte; Sie haben's nicht bewältigen können, und irgendwann kann man den Deckel dann nicht mehr draufhalten."

"Also hätte ich eigentlich ausflippen müssen, wie Höffgen."

"In gewisser Weise sind Sie’s ja auch. Sie haben sozusagen eine Lebensbilanz gezogen, und die empfanden Sie als negativ. Aber als vernünftiger Mensch, der Sie ja doch sind, griffen Sie nicht zum Messer oder zur Pistole, wie Ihre Kunden, sondern kamen zu mir."

"Und jetzt", fragt Trimmel mit dem Anflug eines Lächelns, "bin ich als geheilt entlassen?"

"Sagen wir mal so", sagt Dr. Lorff, "man kann Sie wieder auf die Menschheit loslassen, ohne Gefahr ..."

"Für die Menschheit?" unterbricht ihn Trimmel.

"Ohne Gefahr für Sie selbst", sagt Dr. Lorff. Die Sitzung ist beendet, und ab sofort schenkt er seinen teuren Whisky wieder sehr viel großzügiger aus.



[1] Siehe "Ein EKG für Trimmel".

[2] Siehe "Eine Leiche schreit um Hilfe".

[3] Ein Tip, für Notfälle: in einem Punkt ist Trimmel immer noch verwundbar – weinende Frauen kann er um alles in der Welt nicht ertragen.

[4] Siehe "Der Richter in Weiß".

[5] "Paul, du sollst mal ganz dringend deine Frau anrufen", sagt der Wirt des Old Farmsen Inn, ganz selbstverständlich, zu Trimmel (siehe "Eine Leiche schreit um Hilfe").

[6] Siehe "Ein EKG für Trimmel".

[7] Fast nie mehr. Einmal noch sind sie dicht davor, siehe "Treff mit Trimmel".