Rudi Kost

Was ist los mit Trimmel?

Inhalt

Trimmel heiß ich

Trimmel und die Psychiater

Trimmel, das Ekel

Trimmel, dein Freund und Helfer

Trimmel, der Säufer

19. Januar 1919

Trimmel, der Profi

Trimmel und seine Leute

Edmund Höffgen

1. April 1945

Gaby Montag

Trimmel lacht

Anhang

Trimmel im Buch

Trimmel im Fernsehen

Erschienen 1986 in der Reihe "Kabinett der Detektive", Poller Verlag
ISBN 3-87959-266-7
© Rudi Kost

 

Vergriffen; gebraucht erhältlich zum Beispiel bei:

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19. Januar 1919

Es ward Paul Trimmel nicht an der Wiege gesungen, daß er einmal bei der Polizei landen würde. Seine Eltern hatten anderes mit ihm vor. Lehrer sollte er werden, das stand von Anfang an fest. Als Lehrer hatte man sein Auskommen und später seine Pension, was ja nicht zu verachten war, man stellte, in aller Bescheidenheit, etwas dar, und das war nun weiß Gott auch ein Gesichtspunkt. Als Beamter war man überdies gegen alle Unbilden gefeit, besonders wirtschaftlicher Art, und konnte, darauf legte Trimmel senior großen Wert, seine Pflichten gegenüber dem Staat in redlicher und, nebenbei, durchaus angenehmer Weise erfüllen.

Eigentlich war es nicht die Zeit, da man großes Zutrauen zum Staat haben konnte. Das Kaiserreich war mit Tschingderassabumm untergegangen, aus München hörte man schreckliche Dinge von Arbeiter- und Soldatenräten, und während Frau Trimmel schon die Wehen herannahen fühlte, kartätschten in Berlin Noskes Truppen den Spartakusaufstand nieder und sorgten für ein blutiges Ende des Generalstreiks, wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet, aber das geschah ihnen recht, klärte Herr Trimmel seine Frau auf, mit Revolution haben wir nichts am Hut.

Darum gab er, am Tag der Geburt seines Sohnes, als die Wehen schon heftig wurden, bei den Wahlen zur Nationalversammlung – keine Frage, daß er als pflichtbewußter, demokratisch bekehrter Bürger überhaupt wählte – seine Stimme dem Zentrum, und mindestens so sehr wie über den kleinen Paul freute er sich über die 19,7 Prozent seiner Partei. Daß die Sozis fast doppelt so stark wurden, war allerdings ein Wermutstropfen in dem billigen Sekt, den er sich zur doppelten Feier des Tages genehmigt hatte.

Vater Trimmel nahm es als gutes Omen, daß sein Sohn und die neue Republik, sozusagen, am gleichen Tag geboren wurden.[1] Es konnte jetzt nur noch aufwärts gehen, und das mit diesem Diktat von Versailles, das würde man schon auch noch hinkriegen. Obwohl, bei den Sozis wußte man ja nie so recht ...

Jedenfalls, fand Trimmel senior, standen die Zeichen für Paul, dieses winzige schreiende Bündel, nicht schlecht. Und weil er als Buchhalter bei einer kleinen Export- und Importfirma ein überaus penibler Mensch war, fing er gleich an zu rechnen, wann sein Sohn einmal auf eigenen Füßen stehen würde. So 1937 oder 38, kalkulierte er, ist Paul mit der Schule fertig, und dann kommt die Lehrerbildungsanstalt, danach wird er wohl auch bald heiraten, und 1942 könnte der frischgebackene Vater Trimmel schon Opa sein.

Wenn er sich das so vorstellte: er und Mutter und Paul und die Schwiegertochter, und unterm Weihnachtsbaum spielt der Enkel mit seinem Anker-Baukasten, und alle sind glücklich und zufrieden, der Weltkrieg ist nur noch eine böse Erinnerung ...

Darauf genehmigte er sich noch einen Schluck von dem Sekt.

 *

"Wenigstens Beamter sind Sie dann doch geworden", sagt Dr. Lorff. "Weil's Ihr Vater so wollte?"

Trimmel brummt nur vor sich hin.

"Aber wenn schon: warum nicht auch Lehrer?"

"Ich und Lehrer?" sagt Trimmel entgeistert. "Könnten Sie sich das im Ernst vorstellen?"

"Eigentlich durchaus. Vielleicht sind Sie’s ja nur deshalb nicht geworden, weil Sie Ihrem Vater nicht gehorchen wollten – eine milde Form von Vaterhaß unter Umständen. Und darunter leiden Sie jetzt, weil Sie im Innersten Ihres Herzens doch gern die Wünsche Ihres Vaters erfüllt hätten."

Trimmel ist fassungslos.

"Ehrlich, ich glaub, wenn hier einer auf die Couch gehört, dann sind Sie das! Vaterhaß! Dann müßte ich also, so viel versteh ich ja nun auch von Ihrem Kokolores – dann müßte ich ja parallel dazu wohl eine extreme Mutterbindung haben?"

"Und?" fragt Dr. Lorff zurück, "haben Sie?"

Aber darauf verweigert Trimmel die Aussage, und Dr. Lorff besteht nicht auf einer Antwort, sondern kommt auf ein unverfänglicheres Thema zurück.

"Alles in allem haben Sie ja dann doch eine beachtliche Karriere gemacht", sagt Dr. Lorff.

"Ich bitte Sie, Doktor", antwortet Trimmel, "Hauptkommissar bei der Kripo ist ja nun weiß Gott nichts Besonderes. In meinem Alter sollte ich doch längst Rat oder Oberrat sein, von wegen Karriere! Hauptkommissare gibt's wie Sand am Meer!"

"Aber nur einen Hauptkommissar Paul Trimmel", sagt Dr. Lorff freundlich, "der ist ganz und gar einmalig."

Dem ist schlechterdings nicht zu widersprechen.



[1] Wenn’s denn so war. Trimmels Geburtsdatum hat zu so viel Spekulationen und Verwirrung geführt, daß eine Fußnote zur Aufklärung nicht ausreicht. Wir verweisen auf den Anhang dieses Buches.